Heute Morgen habe ich erst einmal eine halbe Stunde das Anlegen des SP hinausgezögert, aus Angst vor diesem lauten Knall und der Reizüberflutung in den ersten Sekunden. Dann habe ich mich doch dazu durch gerungen und es kam... kein Knall zumindest. Es war von Anfang an angenehm und interessanterweise vom Eindruck her schon viel zu leise.
In der UBahn habe ich dann das HG aus gemacht und versucht, auf die Ansagen zu hören. Da ich die Strecke kannte, habe ich auch die angesagten Stationsnamen erkennen können. Dann ein kleiner Moment der Freude: Die Stimme des Schaffners klang eindeutig männlich. Also das Hörgerät angemacht und hingehört: Bingo, eine Männerstimme!
Beim Techniker schließlich wurde meinem Empfinden nach nicht allzuviel eingestellt: Die untere Schwelle wurde leicht angehoben, nach oben konnte ich bei einzelnen Elektroden mehr Leistung vertragen. Die elektrische Spannung an den einzelnen Elektroden ist, wie zu erwarten war, im Gegensatz zum Vortag leicht gesunken. Die Batterien vom gestrigen Tag haben übrigens auch heute den ganzen Tag durchgehalten und sind immer noch im SP. Nach dem Besuch beim Techniker klang es alles noch nicht allzu verschieden von der vorherigen Einstellung, aber ich konnte das Hörtraining trotzdem nicht erwarten. Dort dann zuerst der Test mit einigen Geräuschen und Instrumenten: Ja, bei Glocke und Triangel höre ich den Nachhall nach dem Anschlagen. Zwar irgendwie ein undefinierbares Geräusch, aber ich kann es sofort zuordnen und denke mir nur "aha, so klingt das jetzt also". Wasser, das in ein Glas gegossen wird, klingt auch so, wie ich es erwarten würde, ebenso zerrissenes Papier. Alleine Papierrascheln klingt immer noch wie eine Hand voll kleiner Glöckchen. Dann die Trommel: Undefinierbar. Merklich anders als die anderen Instrumente, aber eben keine Trommel. Eher ein Stift, der gegen ein metallenes Gefäß schlägt, aber gut, dann ist das jetzt eben so. Auf der Flöte bekam ich eine Tonleiter vorgespielt und habe darin drei unterschiedliche Töne gehört.
Danach kamen die ersten Wortpaare. Du liebe Zeit! Eigentlich höre bis auf wenige Ausnahmen nur den Unterschied zwischen Vokal und Konsonant. Einzelne Vokale kann ich noch gar nicht unterscheiden, bei den Konsonanten immerhin s, sch, z, t/d, k/g, p/b, wobei ich die letzten drei Paare noch nicht eindeutig unterscheiden kann. Insofern erinnerte das Hörtraining am Anfang eher an ein Verhaltensexperiment mit Tieren: Hört man den einen Pfiff, zeigt man auf das Wort links, während man beim anderen Pfiff auf das rechte Wort zeigt. Ein richtiges Wortverständnis war das zu dem Zeitpunkt noch nicht, aber mit viel Konzentration konnte ich die beiden Pfiffe relativ genau auseinander halten. Einzig bei Wörtern mit i und u und einem h oder g im Anlaut musste ich vorerst die Segel streichen, so konnte ich zwischen "Hut" und "gut" gar keinen Unterschied hören.
Dann die Mittagspause im Innenhof. Ich hatte zwar das Bedürfnis, den SP ab zu machen, wollte aber wissen, ob ich das Vogelgezwitscher höre: Fehlanzeige, maximal ein kaum hörbares Fiepen, aber das konnte genauso gut jedes andere Geräusch in diesem belebten Innenhof sein. Also wieder zurück zum Training, wo jetzt eine Liste von ca. 20 Wörtern anstand, die in zwei Spalten eingeteilt waren: links Wörter mit "sch", rechts welche ohne. Die Aufgabe war darauf zu hören, ob ein Wort ein "sch" enthielt oder nicht. Ich konnte jedoch in den 15 Durchläufen mit Zufallswörtern bis auf drei Ausnahmen sogar sofort bestimmen, welches Wort gesagt wurde! Was für ein Erfolgserlebnis Das gleiche dann in gesteigerter Schwierigkeitsstufe bei der Unterscheidung von "sch" und "s" - auch hier eine sehr gute Trefferquote.
Dann ging es um Vokale - Ohje, Kraut und Rüben. Aber mein Studium, in dem nicht nur einige Sprachen gelernt, sondern auch Kontakt mit Phonetik/Phonologie und der Theorie dahinter hatte, hat sich spätestens hier mehr als bezahlt gemacht. Dem Gesichtsausdruck konnte ich entnehmen, dass auf die Aufforderung "Beschreiben Sie doch mal, wie Sie den Unterschied zwischen einem langen und einem kurzen Vokal wahrnehmen" wohl noch keiner geantwortet hatte mit "Gar nicht, aber die Intensität, mit der Sie einen Plosiv nach einem kurzen Vokal aspirieren, lässt Rückschlüsse auf die Vokalquantität zu." Kurzum: Ich habe den Unterschied nicht am Vokal selbst gehört, sondern am Laut danach. Das aber zu meiner Freude ziemlich treffsicher.
Zufällige Sätze konnte ich auch in einer Liste zuordnen, die ich vor mir liegen hatte. Das fiel mir sogar deutlich leichter als einzelne Wörter auseinander zu halten. Zum Abschluss gab es noch eine nette kleine Geschichte, die ich vorgelesen bekam und bei der ich den Text mitlesen sollte. Das hat auch funktioniert! Danach also wieder nach Hause. Die Ubahn erzeugte nicht mehr das flaue Gefühl im Kopf, wie ich es gestern erlebt hatte, sondern sie war als leises Rauschen zu vernehmen - ganz ohne flaues Gefühl. Und im heimischen Garten dann plötzlich ein sehr hohes schwallartiges Geräusch: Das werden doch nicht etwa Vögel sein? Ungläubige zwei Sekunden später war ich mir auch ohne Nachprüfen mit dem HG 100% sicher, dass es tatsächlich Vogelgezwitscher war, sogar relativ unverkennbar
Der richtige Hammer kam aber im Gespräch mit meinen Eltern: Bei sichtbarem Mundbild konnte ich mich tatsächlich einigermaßen gut mit meiner Mutter unterhalten! Ich würde mich selbst zwar nicht als geschulten Abseher bezeichnen, aber ohne Mundbild war es so gut wie unmöglich. In Kombination hingegen sehr erfolgreich. Fantastisch war es, als mein Vater anfing zu sprechen. Ihn habe ich nicht nur auf Anhieb sehr gut verstanden, sondern das, was ich da hörte, war unverkennbar seine Stimme! Ich kann allerdings absolut nicht beschreiben, wieso seine Stimme die einzige ist, die für mich nicht wie ein kastrierter Roboter auf Speed klingt - das tut sie nämlich eigentlich, aber ich erkenne sie trotzdem. Und so konnte ich mich mit ihm entspannt sehr gut unterhalten. Und das am zweiten Tag, mannomann! Das hätte ich niemals für möglich gehalten!
Zwischenzeitlich habe ich mal das HG zugeschaltet: Merkwürdig. Nicht zum Davonlaufen oder schrecklich, aber einfach seltsam. Das Hörverstehen wandert dann sofort zum HG-Ohr und ich habe dann das Gefühl, dass auf meiner CI-Schulter ein kleiner Kobold sitzt, der jedes Mal, wenn Leute sprechen, furchtbar schief auf einer falsch gestimmten Geige dazwischen fiedelt. Kein Sprachverständnis von dieser Seite, aber auch keine Störung, die das Verstehen mit HG verschlechtern würde.
Ein bisschen übermütig wurde ich durch das Gespräch mit meinem Vater dann doch und ich habe mal zum Antesten ein mir bekanntes Lied eingelegt, das etwas ruhiger ist. Huch, da klang gar nichts nach Musik! Ich konnte zwar halbwegs den Liedverlauf nachvollziehen, aber mit Musik hatte das nichts zu tun. Schlimm war es aber trotzdem nicht, sondern nur anders. Vom Gefühl her könnte das interessant werden und irgendwie etwas eigenes, halt kein Musikhören, wie es andere Leute verstehen würden Als ich dann aber das HG dazu geschaltet habe, wurde es meinem Gehirn wohl doch etwas zu viel und ich bekam durch die empfundene leichte Zeitverzögerung von Impulsen links und rechts ein schwammiges, leicht schwindeliges Gefühl im Kopf. Also runter mit SP und HG, man soll sein Glück ja auch nicht zu sehr auf die Probe stellen. Und für einen zweiten EA-Tag war ich mehr als zufrieden mit dem Verlauf. Das hat alle meine Erwartungen bei weitem übertroffen! Die Erwartungen sehr tief anzusetzen lohnt sich also Heftig, wie sehr sich das plötzliche Ausbleiben von Signalen auf der CI-Seite beim Abnehmen des SP bemerkbar macht. Da fehlt richtiggehend was. Und so bin ich gespannt, was morgen noch auf mich zu kommt, das wird wieder ein voller Tag.
Martin: Danke dir! Den Prozess, den du da mit der Antenne beschreibst, konnte ich heute absolut nachvollziehen! Es war tatsächlich so, über den Tag wurde das Piepen und Pfeifen immer koordinierter und ich wusste mehr und mehr etwas damit anzufangen. Klopfen auf Plastik hört sich mittlerweile anders an als Klopfen auf Metall, das ist spannend!