Wieder ein Neuer im Cyborg-Club

  • Heute Morgen habe ich erst einmal eine halbe Stunde das Anlegen des SP hinausgezögert, aus Angst vor diesem lauten Knall und der Reizüberflutung in den ersten Sekunden. Dann habe ich mich doch dazu durch gerungen und es kam... kein Knall zumindest. Es war von Anfang an angenehm und interessanterweise vom Eindruck her schon viel zu leise.
    In der UBahn habe ich dann das HG aus gemacht und versucht, auf die Ansagen zu hören. Da ich die Strecke kannte, habe ich auch die angesagten Stationsnamen erkennen können. Dann ein kleiner Moment der Freude: Die Stimme des Schaffners klang eindeutig männlich. Also das Hörgerät angemacht und hingehört: Bingo, eine Männerstimme! :thumbup:

    Beim Techniker schließlich wurde meinem Empfinden nach nicht allzuviel eingestellt: Die untere Schwelle wurde leicht angehoben, nach oben konnte ich bei einzelnen Elektroden mehr Leistung vertragen. Die elektrische Spannung an den einzelnen Elektroden ist, wie zu erwarten war, im Gegensatz zum Vortag leicht gesunken. Die Batterien vom gestrigen Tag haben übrigens auch heute den ganzen Tag durchgehalten und sind immer noch im SP. Nach dem Besuch beim Techniker klang es alles noch nicht allzu verschieden von der vorherigen Einstellung, aber ich konnte das Hörtraining trotzdem nicht erwarten. Dort dann zuerst der Test mit einigen Geräuschen und Instrumenten: Ja, bei Glocke und Triangel höre ich den Nachhall nach dem Anschlagen. Zwar irgendwie ein undefinierbares Geräusch, aber ich kann es sofort zuordnen und denke mir nur "aha, so klingt das jetzt also". Wasser, das in ein Glas gegossen wird, klingt auch so, wie ich es erwarten würde, ebenso zerrissenes Papier. Alleine Papierrascheln klingt immer noch wie eine Hand voll kleiner Glöckchen. Dann die Trommel: Undefinierbar. Merklich anders als die anderen Instrumente, aber eben keine Trommel. Eher ein Stift, der gegen ein metallenes Gefäß schlägt, aber gut, dann ist das jetzt eben so. Auf der Flöte bekam ich eine Tonleiter vorgespielt und habe darin drei unterschiedliche Töne gehört.
    Danach kamen die ersten Wortpaare. Du liebe Zeit! Eigentlich höre bis auf wenige Ausnahmen nur den Unterschied zwischen Vokal und Konsonant. Einzelne Vokale kann ich noch gar nicht unterscheiden, bei den Konsonanten immerhin s, sch, z, t/d, k/g, p/b, wobei ich die letzten drei Paare noch nicht eindeutig unterscheiden kann. Insofern erinnerte das Hörtraining am Anfang eher an ein Verhaltensexperiment mit Tieren: Hört man den einen Pfiff, zeigt man auf das Wort links, während man beim anderen Pfiff auf das rechte Wort zeigt. Ein richtiges Wortverständnis war das zu dem Zeitpunkt noch nicht, aber mit viel Konzentration konnte ich die beiden Pfiffe relativ genau auseinander halten. Einzig bei Wörtern mit i und u und einem h oder g im Anlaut musste ich vorerst die Segel streichen, so konnte ich zwischen "Hut" und "gut" gar keinen Unterschied hören.
    Dann die Mittagspause im Innenhof. Ich hatte zwar das Bedürfnis, den SP ab zu machen, wollte aber wissen, ob ich das Vogelgezwitscher höre: Fehlanzeige, maximal ein kaum hörbares Fiepen, aber das konnte genauso gut jedes andere Geräusch in diesem belebten Innenhof sein. Also wieder zurück zum Training, wo jetzt eine Liste von ca. 20 Wörtern anstand, die in zwei Spalten eingeteilt waren: links Wörter mit "sch", rechts welche ohne. Die Aufgabe war darauf zu hören, ob ein Wort ein "sch" enthielt oder nicht. Ich konnte jedoch in den 15 Durchläufen mit Zufallswörtern bis auf drei Ausnahmen sogar sofort bestimmen, welches Wort gesagt wurde! Was für ein Erfolgserlebnis :) Das gleiche dann in gesteigerter Schwierigkeitsstufe bei der Unterscheidung von "sch" und "s" - auch hier eine sehr gute Trefferquote.
    Dann ging es um Vokale - Ohje, Kraut und Rüben. Aber mein Studium, in dem nicht nur einige Sprachen gelernt, sondern auch Kontakt mit Phonetik/Phonologie und der Theorie dahinter hatte, hat sich spätestens hier mehr als bezahlt gemacht. Dem Gesichtsausdruck konnte ich entnehmen, dass auf die Aufforderung "Beschreiben Sie doch mal, wie Sie den Unterschied zwischen einem langen und einem kurzen Vokal wahrnehmen" wohl noch keiner geantwortet hatte mit "Gar nicht, aber die Intensität, mit der Sie einen Plosiv nach einem kurzen Vokal aspirieren, lässt Rückschlüsse auf die Vokalquantität zu." :D Kurzum: Ich habe den Unterschied nicht am Vokal selbst gehört, sondern am Laut danach. Das aber zu meiner Freude ziemlich treffsicher.
    Zufällige Sätze konnte ich auch in einer Liste zuordnen, die ich vor mir liegen hatte. Das fiel mir sogar deutlich leichter als einzelne Wörter auseinander zu halten. Zum Abschluss gab es noch eine nette kleine Geschichte, die ich vorgelesen bekam und bei der ich den Text mitlesen sollte. Das hat auch funktioniert! Danach also wieder nach Hause. Die Ubahn erzeugte nicht mehr das flaue Gefühl im Kopf, wie ich es gestern erlebt hatte, sondern sie war als leises Rauschen zu vernehmen - ganz ohne flaues Gefühl. Und im heimischen Garten dann plötzlich ein sehr hohes schwallartiges Geräusch: Das werden doch nicht etwa Vögel sein? Ungläubige zwei Sekunden später war ich mir auch ohne Nachprüfen mit dem HG 100% sicher, dass es tatsächlich Vogelgezwitscher war, sogar relativ unverkennbar :)

    Der richtige Hammer kam aber im Gespräch mit meinen Eltern: Bei sichtbarem Mundbild konnte ich mich tatsächlich einigermaßen gut mit meiner Mutter unterhalten! Ich würde mich selbst zwar nicht als geschulten Abseher bezeichnen, aber ohne Mundbild war es so gut wie unmöglich. In Kombination hingegen sehr erfolgreich. Fantastisch war es, als mein Vater anfing zu sprechen. Ihn habe ich nicht nur auf Anhieb sehr gut verstanden, sondern das, was ich da hörte, war unverkennbar seine Stimme! Ich kann allerdings absolut nicht beschreiben, wieso seine Stimme die einzige ist, die für mich nicht wie ein kastrierter Roboter auf Speed klingt - das tut sie nämlich eigentlich, aber ich erkenne sie trotzdem. Und so konnte ich mich mit ihm entspannt sehr gut unterhalten. Und das am zweiten Tag, mannomann! Das hätte ich niemals für möglich gehalten! 8|

    Zwischenzeitlich habe ich mal das HG zugeschaltet: Merkwürdig. Nicht zum Davonlaufen oder schrecklich, aber einfach seltsam. Das Hörverstehen wandert dann sofort zum HG-Ohr und ich habe dann das Gefühl, dass auf meiner CI-Schulter ein kleiner Kobold sitzt, der jedes Mal, wenn Leute sprechen, furchtbar schief auf einer falsch gestimmten Geige dazwischen fiedelt. Kein Sprachverständnis von dieser Seite, aber auch keine Störung, die das Verstehen mit HG verschlechtern würde.

    Ein bisschen übermütig wurde ich durch das Gespräch mit meinem Vater dann doch und ich habe mal zum Antesten ein mir bekanntes Lied eingelegt, das etwas ruhiger ist. Huch, da klang gar nichts nach Musik! Ich konnte zwar halbwegs den Liedverlauf nachvollziehen, aber mit Musik hatte das nichts zu tun. Schlimm war es aber trotzdem nicht, sondern nur anders. Vom Gefühl her könnte das interessant werden und irgendwie etwas eigenes, halt kein Musikhören, wie es andere Leute verstehen würden :) Als ich dann aber das HG dazu geschaltet habe, wurde es meinem Gehirn wohl doch etwas zu viel und ich bekam durch die empfundene leichte Zeitverzögerung von Impulsen links und rechts ein schwammiges, leicht schwindeliges Gefühl im Kopf. Also runter mit SP und HG, man soll sein Glück ja auch nicht zu sehr auf die Probe stellen. Und für einen zweiten EA-Tag war ich mehr als zufrieden mit dem Verlauf. Das hat alle meine Erwartungen bei weitem übertroffen! Die Erwartungen sehr tief anzusetzen lohnt sich also :thumbup: Heftig, wie sehr sich das plötzliche Ausbleiben von Signalen auf der CI-Seite beim Abnehmen des SP bemerkbar macht. Da fehlt richtiggehend was. Und so bin ich gespannt, was morgen noch auf mich zu kommt, das wird wieder ein voller Tag.

    Martin: Danke dir! Den Prozess, den du da mit der Antenne beschreibst, konnte ich heute absolut nachvollziehen! Es war tatsächlich so, über den Tag wurde das Piepen und Pfeifen immer koordinierter und ich wusste mehr und mehr etwas damit anzufangen. Klopfen auf Plastik hört sich mittlerweile anders an als Klopfen auf Metall, das ist spannend!

    an Taubheit grenzend schwerhörig

    links: HG (Oticon Alta)
    rechts: CI (MedEL, Synchrony mit Flex 28-Elektrode / Sonnet), OP: 28.05.2015, EA: 29.06.2015

    2 Mal editiert, zuletzt von Buzz (30. Juni 2015 um 22:43)

  • Hallo Buzz,

    Danke für diesen wunderbar plastischen Bericht!
    Fazinierend, wie ein beginner das neue Hören so treffend schildern kann, erinnert mich als alten Hasen sehr gut an die Anfangszeit.
    Und zeigt einmal mehr, wozu ein trainiertes Gehirn in der Lage ist.
    Darf ich fragen, was du studiert hast bzw. woher die phonetischen Kenntnisse kommen?

    Greetz
    Martina

    Implant 24RE 06/04 und 01/07, N8 seit März 2023

  • Nur Geduld, das wird schon. ....
    Gruß Norbert

    links: Opus 2XS, Flex28; OP 14/09/2012 MHH
    EA: 05/11/2012 erfolgreich

    seit 12/06/2020 Sonnet 2

    rechts: HG (zu nichts nutze...)
    --------------------------------
    Offenbarung 21,4
    ...und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer noch Geschrei noch Schmerz...

    Jesaja 35, 4-6
    Sagt den verzagten Herzen: "Seid getrost ..." ...dann werden die Ohren der Tauben geöffnet werden...

  • Hallo Buzz

    Toll wie du die Tage und Ergebnisse deiner EA beschrieben hast.
    Das klingt gut und macht Mut.

    Für deine weiteren Anpassungen und Hörübungen wünsche ich dir
    viel Erfolg und freue mich auch schon auf weitere Berichte von dir.

    Liebe Grüße

    Inge

    LInks: CI OP am 02.07.2015 - Cochlear CI512-
    im BwZK in Koblenz
    EA am 31.07 2015
    Rechts: noch HG ( an Taubheit grenzend schwerhörig)

  • Die Ubahn-Türen und das Warngeräusch vor dem Schließen klingen langsam aber sicher nicht mehr schrill und schrecklich, sondern mehr und mehr vertraut. Ein Glück, denn das Geräusch habe ich ja pro Fahrt etwa 15 Mal. Viel Zeit zum Gewöhnen und umso besser, wenn es schnell seinen Schrecken verliert. Zwei, drei neugierige Blicke meine ich heute mitbekommen zu haben. Ich habe da nur in mich rein gegrinst und dachte mir "Ja, schau nur hin! So ein schönes Stück Technik und in der Tasche habe ich die Fernbedienung dazu und wenn ich da Tasten drücke, blinkt es. So cool wirst du niemals sein!" - eine Kindheit in den 90ern hinterlässt halt irgendwie Spuren, und wenn ich heute schon keine Latzhosen zum Karohemd trage, so darf ich doch wenigstens in der Anwesenheit von bunt blinkenden LEDs in Verzückung geraten :D

    Heute hat sich an den Elektroden kaum noch etwas verändert; die einzelnen Spannungsverhältnisse scheinen sich eingependelt zu haben. Dafür gab es neben einigen ganz kleinen Anpassungen ein Programm mit einer alternativen Codierungsstrategie: Die ersten vier Elektroden werden jetzt bei jedem Durchgang stimuliert, quasi auch, wenn die Frequenzkurve unterhalb der Abszisse verläuft und mit variabler Intensität und auch dreimal häufiger und überhaupt... auf meinen eher ratlosen Gesichtsausdruck meinte der Techniker dann fast entschuldigend: "Stellen Sie sich das so vor: Wenn ich Sie dreimal statt einmal zwicke, merken Sie das mehr!" - Ja, mit der Erklärung konnte ich eher was anfangen :D
    Die "Liveschaltung" dieser Einstellung war wieder der bekannte, fast nicht auszuhaltende Beckenschlag direkt neben dem Ohr, der in ein elektrisches Pfeifen und Quietschen zerfloss, das dann allmählich in den normalen Betriebszustand über ging. Ich kenne den Ablauf in den ersten fünf Sekunden nach Anlegen des SP bereits, aber mich haut es da jedes Mal wieder aufs Neue fast vom Stuhl. Nun gut, das neue Programm klang gleich etwas mehr wie das Hörgerät. Irgendwie runder, weicher und weniger metallisch, trotzdem weit entfernt von irgendetwas, das ich als "natürlich" bezeichnen würde. Eine kleine Einführung in das Auseinanderbauen des SP und das Auswechseln mancher Ersatzteile mit dem mitgelieferten Werkzeug gab es auch noch - gut zu wissen! Die Batterien vom ersten Tag halten übrigens immer noch.

    Im Hörtraining habe ich dann beide Programme nacheinander probiert und mich dann dazu entschlossen, das neue zu nehmen. Vom Verständnis her hat es nicht viel Unterschied gemacht, aber es klingt einfach angenehmer. Zudem hatte ich das Gefühl, das ursprüngliche Programm würde jetzt grundsätzlich leise rauschen. Das Rauschen hat sich aber über den Tag auch beim neuen Programm eingestellt. Bei den Wortpaaren ging es gewohnt gut, einzelne Wörter aus einer Liste klappen auch und ein Datum im Format "Dienstag, der 13. August" kann ich auch verstehen. Feine Sache, das! Überhaupt musste ich heute bei den Anweisungen zwischen den Übungen das Hörgerät nicht mehr dazu schalten.
    Nach den Wörtern gab es Geräusche. Etwa drei Viertel davon klangen für mich so, dass ich mich unmittelbar damit anfreunden konnte, etwa ein Klopfen an der Türe oder ein Glas Wasser, das eingeschenkt wird. Eine Kirchenglocke hingegen machte für mich einen langgezogenen einheitlichen Ton, der aber auch gar nichts mit Kirchenglocken gemeinsam hatte. Ein Zug war nicht wirklich von einem Regenguss unterscheidbar. Ebenso klangen für mich gluckende Hühner, schnatternde Enten und eine Gruppe lachender Frauen relativ gleich. Letzteres lasse ich einfach mal unkommentiert so stehen... :D

    Danach haben wir es mit Musik versucht: Hm. Irgendwie undefinierbar. Ich konnte zwar hören, wenn Gesang einsetzte, aber viel mehr auch nicht. Gitarre und Piano war irgendwie da. Aber mehr als ein beliebiges "Pling, Pling" war es nicht. Kein Rhythmus, keine Melodie. Kann ja noch werden. Unangenehm war es zumindest mal nicht, das ist ja auch schon was! Danach habe ich mir noch eine CD zum Üben für zu Hause mitgenommen, in die ich gleich mal rein hören werde. Eine App für's Handy habe ich auch schon empfohlen bekommen und Med-El wird mir wohl bald ein schickes Wireless-Zubehör schicken, das im Idealfall sowohl an Hörgerät als auch an das CI überträgt. Feine Sache!

    Im Anschluss an das Training ging ich für das Mittagessen noch in die Cafeteria. Viel Stimmengewirr, viel Besteckklappern und dergleichen. Dann plötzlich hatte sich wohl eine Schulklasse von 30 Kindern in meinem Kopf materialisiert, die alle gleichzeitig mit einem Stück Kreide auf ihrer Schiefertafel kratzten und das Geräusch durch ein völlig übersteuertes Mikrofon irgendwo in meine Synapsen spülten. Ich wäre fast aufgesprungen und hätte mir den SP vom Kopf gerissen. Das war absolut unerträglich! Ein kurzer Blick durch den Raum sagte mir dann, dass fünf Meter weiter an der Kasse jemand sein Kleingeld zum Bezahlen auf den Tresen gelegt hatte, was auf dem HG-Ohr nur als ganz leises Klackern angekommen war. Ohjeohje, also erst mal das CI etwas leiser und das Hörgerät im Anschluss auch, bis es auf beiden Seiten angenehm war. Vogelgezwitscher ist für mich seit heute auf beiden Ohren ein einziger, runder Klang. Das ist richtig schön :)
    Autos höre ich nun mittlerweile, wie sie näher kommen, vorbei fahren und dann wieder leiser werden. Sehr witzig, erst eine Rassel, dann ein elektrisches Fiepen und dann wieder eine Rassel. Quasi: tsssssccchhhhhhhh...fiiiiieeeeeeeeep...tssssssccchhhhhhhh :D
    Aber das ist generell ein Problem, finde ich. Wie beschreibt man Leuten seine Höreindrücke? Ich merke das immer wieder, wenn ich Bekannten vom Moment des ersten Einschaltens erzähle. Man sagt halt Pfeifen, weil es irgendwie schon ein Pfeifen ist. Nur halt keines, das man aus dem Leben aus irgendeiner Situation heraus kennen würde. Eigentlich ein elektrischer, hochartifizieller Ton, der wabert und fließt und aus vielen Tönen gleichzeitig besteht. Bei diesem Erlebnis kommt Sprache als Ausdrucksmittel wohl eindeutig an ihre Grenzen.
    Wenn ich heute HG und SP gleichzeitig an habe, sitzt auf meiner Schulter übrigens kein fiedelnder Fiesling mehr, sondern ein rauschendes Radio - das Sprachverstehen findet also weiterhin am HG statt, aber die CI-Seite liefert keine indifferenten Signale mehr, sondern ebenfalls Sprache, nur eben verfremdet und, wie ich es empfinde, mit einem leicht zeitversetzten metallischen Nachklang. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass das mein Sprachverstehen stört. Mal sehen, was ich morgen so auf meiner Schulter finde :D


    Martina: Danke dir! Wenn es für andere nachvollziehbar ist, die ebenfalls da durch mussten, scheine ich ja doch ansatzweise richtige Worte zu finden für das, was da passiert :) Auf deine Frage habe ich dir ja per PN schon geantwortet.

    @Norbert: Na klar, wenn etwas noch nicht geht, dann geht es halt noch nicht. Vielleicht auch nie, weiß man ja nicht vorher. Aber wenn etwas geht, sehe ich nicht, warum ich mich in diesem Punkt dann zurückhalten sollte :)

    @Inge: Ich hatte im Vorfeld auch viele Berichte gelesen, manche von der Entwicklung her ähnlich erfreulich wie ich es bei mir empfinde, manche, bei denen die Dinge teilweise etwas Zeit brauchten und sehr viele irgendwo dazwischen. Am wichtigsten ist es wohl, die Erwartungen für die erste Zeit sehr niedrig zu halten, um sich nicht selbst zu enttäuschen. Dann an alle Töne unvoreingenommen ran gehen und einfach beobachten, was wie klingt, ohne alles gleich bewerten zu wollen. So habe ich bisher noch kaum was gehört, was ich richtig unangenehm finde. Nur die Klospülung, mit der werde ich mich so schnell wohl nicht anfreunden :D Wenn ich das richtig im Kopf habe, steht bei dir morgen die OP an. Ich halte alle Daumen gedrückt und bin sicher, du wirst das gut überstehen!

    an Taubheit grenzend schwerhörig

    links: HG (Oticon Alta)
    rechts: CI (MedEL, Synchrony mit Flex 28-Elektrode / Sonnet), OP: 28.05.2015, EA: 29.06.2015

    Einmal editiert, zuletzt von Buzz (1. Juli 2015 um 17:11)

  • Es ging gestern noch ein wenig weiter, was die Musik betrifft. Ich wollte nach den ersten Versuchen nicht gleich aufgeben und habe es daheim noch einmal neu versucht. Zusammen mit meinem Freund ging ich unser Repertoire an Musik durch und ich habe auf seinen Ratschlag hin alles mögliche ausprobiert, um einfach mal rein zu hören. So konnte ich mich Schritt für Schritt etwas voran tasten. Am Ende bin ich bei "Wir sind die Roboter" von Kraftwerk gelandet (findet man bei youtube) - ich war absolut baff, das klingt mit CI haargenau so wie mit HG. Vielmehr klingen sogar manche Samples etwas deutlicher als auf dem HG-Ohr, total abgefahren! Ich merke mir vorerst mal Synthesizersound und elektronische Klänge vor, was das Musikhören mit CI angeht. Rock und Metal ist doch teilweise etwas hart, gerade, weil ich Gitarren nicht wirklich gut hören kann (Es klingt mehr wie Gemurmel in einer Fremdsprache), Celli mag ich hingegen auch mit CI. Nachdem es aber bei Rockmusik mit CI und HG gleichzeitig eher zu Schwindel geführt hat und mit CI alleine gar nichts erkennbar war, habe ich mich darauf verlagert, das HG langsam leiser zu machen und schließlich ganz auszuschalten. Das hat eigentlich ganz gut funktioniert, zumindest hat mir das akustische Kurzzeitgedächtnis beim Erkennen und Verfolgen des Rhythmus und des Gesangs gute Dienste geleistet, so dass ich manche Lieder auch gut zu Ende hören konnte.
    Am selben Abend war ich noch auf einem Verwandtenbesuch - nur CI habe ich mich nicht getraut, aber HG und CI war so weit ganz okay. Auf dem Weg nach Hause ging es an einem Garten vorbei, aus dem ich plötzlich ein recht lautes, irritierendes Geräusch hörte, das ich so gar nicht einordnen konnte. Rauschend, aber irgendwie auch leicht plätschernd, irgendwie etwas mit Wasser. Also angehalten und zu zweit auf die Suche nach dem Geräusch gemacht. Es war ein ganz kleiner Gartensprinkler, der da vor sich hin rödelte und eine Fläche von vllt einem Quadratmeter bewässerte. Dann der Test mit dem HG alleine: Selbst bei stärkster Konzentration konnte ich das Geräusch nicht hören. Mit dem CI hingegen war es präsent genug, um mich im Vorbeigehen völlig aus dem Takt zu bringen. Auf der Heimfahrt auf dem Beifahrersitz habe ich auch mal versucht, nur mit dem CI zu kommunizieren. Wie soll ich das sagen? Das Motorgeräusch des Autos fehlte komplett, was irgendwie abgefahren war, aber auch den Nebeneffekt hatte, dass das Gespräch auf Zimmerlautstärke stattfinden konnte. Und es funktionierte ganz gut! Nach diesen Erfolgen konnte ich dann richtig gut schlafen. Es ist bemerkenswert, wie es nach dem Abnehmen des SP im Kopf brummt und pocht, man ahnt, dass sich da einiges neu verschaltet und im Schlaf weiter vor sich hin arbeitet.

    So weit noch zu gestern.

    Morgens versuche ich im Moment immer, den SP zuerst anzuschalten und bewusst nur mit ihm zu hören, bevor ich das HG dazu schalte. Ich habe das Gefühl, mein Gehirn hat so weniger Gelegenheit, faul zu sein :D
    Viel wird jetzt nicht mehr eingestellt an den einzelnen Elektroden, es ist vom Eindruck her schon recht stimmig. Apropos Stimme: Männer und Frauen kann ich jetzt recht deutlich voneinander unterscheiden. Das Unterscheidungskriterium ist zwar seltsam, aber effektiv: Alle Roboterstimmen gehören zu Frauen, alle knisternden Radiostimmen zu Männern. Allgemein ist mein Höreindruck recht ähnlich dem Eindruck, den ich habe, wenn ich die diversen Simulationen des CI-Sounds über das HG anhöre. Mit CI klingen sie irgendwie genauso verfremdet. Aber wäre ja auch irgendwie komisch, wenn Minus mal Minus in diesem Fall Plus ergäbe, sprich, die CI-Simulationen durch ein CI natürlicher klängen...
    Im Hörtraining sind es jetzt Minimalpaare, also immer zwei Wörter, die sich nur in einem Laut unterscheiden. Das ist Schwerstarbeit für den Kopf! Und auch hier ist das theoretische Wissen über Sprachlaute sehr hilfreich. An einem Beispiel:

    Wurst - wüst

    Ich schaue die Wörter an und zerlege sie in Gedanken in ihre Einzellaute. Dann überlege ich, welche davon ich kenne - in dem Fall höre ich das W am Anfang ein bisschen wie eine Dampflok. Danach kommt der generische Vokalpfiff, da sich für mich alle Vokale noch gleich anhören. S zischt, T klingt wie ein Peitschenknall. So weit alles gleich, aber dann sehe ich das R: in dieser Position im Wort wird es gerne vokalisiert, also wie ein Vokal (a) ausgesprochen. Also muss ich darauf achten, ob ich den Pfiff für Vokale bei einem Wort noch ein zweites Mal leise höre. Dann kann ich sagen, dass das Wort, das ich gehört habe, Wurst war und nicht wüst. Wenn der zweite Pfiff fehlt, war es das andere Wort.
    So ähnlich geht das mit vielen Wortpaaren. Mit der Theorie im Gepäck ist es möglich, schnell nach markanten Unterscheidungsmerkmalen zu suchen und das Gepfeife einigermaßen zu strukturieren. Im Prinzip wie Vokabeln lernen mit Handicap und Herausforderung - anstrengend, aber es macht irgendwie auch Spaß! :)

    Ein wenig Musiktraining kam auch noch dran. Laut - leise, lang - kurz, einzelne Instrumente, verschiedene Melodien (auf- und absteigend, gemischt, gleich bleibend) und dergleichen mehr. Das hat so weit ganz gut funktioniert und als es um verschiedene Rhythmen ging, fand ich mich sofort zurecht und musste gleich eifrig mit dem Kopf mit wippen, toll! Dann kam ein spannender Moment: Audiometrie mit Wortverständnismessung auf der CI-Seite. Gut, irgendwie war ich aufgeregt, aber ich dachte mir: machste einfach mal, wenn es nicht klappt, ist es nicht schlimm. Was soll da am vierten Tag schon groß messbar sein? Ein bisschen fühlte ich mich an Messungen in HG-Zeiten erinnert, es ist hart, sich nach zehn Jahren wieder auf das alleinige Hören mit dem rechten Ohr zu konzentrieren. Als ich frage, ob denn überhaupt was von meinen gehörten Wörtern richtig war, bekam ich die verblüffende Antwort, dass mein Sprachverständnis in allen drei getesteten Lautstärkeniveaus bei 50% lag! Mit dem Hörgerät hatte man zuletzt 10% gemessen, also eine extreme messbare Steigerung im Vergleich zu früher. Ich konnte es gar nicht recht fassen.

    Beschwingt machte ich mich auf den Heimweg. Dort sah ich, dass mittlerweile meine Bluetooth-Teleschleife von Med-El angekommen ist. Die musste ich natürlich gleich ausprobieren und ich habe in die Hörtrainings-App reingeschnuppert, die mir empfohlen wurde. Funktioniert wunderbar, ich werde wohl öfter so üben. Dann noch mal ein wenig Musik, alles querbeet. Nur mit CI erkenne ich Lieder meiner Lieblingsbands, und noch besser: ich höre sie richtig gerne. Was durch das CI nicht rüber kommt, ergänzt mein Gehirn aus meinen Erinnerungen an den Klang. Ein fantastisches Gefühl! Mit HG zusammen klingt es richtig rund, so toll habe ich Musik lange nicht mehr gehört. Ich merke die Verteilung der Anstrengung auf beide Ohren, es geht nicht mehr alles über das linke. Und wenn ich den SP abnehme, habe ich ganz deutlich das Gefühl, dass etwas fehlt.

    Dann entschloss ich mich zu einem Extremtest: Mit einem Kumpel in den Biergarten, eine richtig irre Idee :D
    Kurz habe ich es nur mit CI versucht: Prinzipiell geht es, ist aber unglaublich anstrengend. Wenn ich HG und CI gleichzeitig an habe, höre ich vom CI her ein ziemlich nerviges Summen. Vielleicht muss ich noch eine Lautstärkeeinstellung finden, die besser passt. Paradoxerweise wird das Summen leister, wenn ich den SP lauter stelle. Auch wenn ich ganz aktiv versuche, mich beim Sprachverstehen auf das rechte Ohr zu konzentrieren, wird das Summen leiser. Das ist aber unglaublich anstrengend, weil sich Jahre der Gewohnheit nicht einfach so ausstellen lassen. Vielleicht mit der Zeit...

    Auf die Spitze getrieben hat es aber mein Vater: "Lass uns doch mit der Teleschleife mal ein Telefonat nur mit CI führen!" - erst wollte ich gar nicht, ich verstehe ja auch das Autoradio und den Fernseher nicht, wie soll es da am Telefon gehen? Aber doch, wenn er langsam spricht, komme ich bei gelegentlichem Nachfragen tatsächlich durch ein Telefonat mit einer mir bekannten Stimme! Am vierten Tag!

    Was da wohl morgen noch so kommt?

    Danke an dieser Stelle allen, die hier mitlesen, kommentieren und sich bedanken: Es ist sehr hilfreich, das hier als eine Art EA-Tagebuch halten zu können und zu merken, dass es andere ähnlich erleben. Und vielleicht hilft es ja auch dem einen oder anderen, der stumm mitliest und sich noch entscheiden muss, die Angst vor dem elektrischen Hören durch Neugierde zu ersetzen ;)

    an Taubheit grenzend schwerhörig

    links: HG (Oticon Alta)
    rechts: CI (MedEL, Synchrony mit Flex 28-Elektrode / Sonnet), OP: 28.05.2015, EA: 29.06.2015

  • Hallo Martina,
    ich glaube, das Sprachtraining kommt bei mir nicht zu kurz: Ich habe die App zum regelmäßigen Üben, am Sonntag habe ich meinen Freund schon verpflichtet "live" mit mir anhand des Buches zu üben und mit dem Hörzentrum des Klinikums habe ich schon zeitnah für die Zeit nach der EA neue Übungssitzungen ausgemacht.
    Ich höre halt einfach gerne und viel Musik und möchte das CI da nicht "ausschließen", sondern nach Möglichkeit integrieren
    In meiner Euphorie darüber, dass es grundsätzlich geht, kam es wohl so rüber, als würde das bei mir im Vordergrund stehen, was aber nicht der Fall ist :)

    Ein kleiner Bericht über den letzten Tag der EA-Woche folgt morgen. Heute bin ich einfach schon zu erledigt dazu und werde gleich schlafen. Aber erst noch eine viertel Stunde Vokale üben...

    Viele Grüße

    Buzz

    an Taubheit grenzend schwerhörig

    links: HG (Oticon Alta)
    rechts: CI (MedEL, Synchrony mit Flex 28-Elektrode / Sonnet), OP: 28.05.2015, EA: 29.06.2015

    Einmal editiert, zuletzt von Buzz (3. Juli 2015 um 22:41)

  • Ich fnd's richtig klasse, wie bei Dir quasi die Post abgeht..... :) Bitte bei aller Euphorie anfangs auf dem Teppich bleiben.

  • Na klar, ich bin einfach glücklich, dass die erste Woche meine Erwartungen so übertroffen hat und sehe es als Motivation, weiter hart dran zu arbeiten :) von daher kein Abheben, sondern einfach Freude! Dass eine Prothese per se kein Wunderdig ist, ist mir absolut bewusst und ich merke die Grenzen auch deutlich.

    an Taubheit grenzend schwerhörig

    links: HG (Oticon Alta)
    rechts: CI (MedEL, Synchrony mit Flex 28-Elektrode / Sonnet), OP: 28.05.2015, EA: 29.06.2015

  • Um halb elf noch Vokale üben???
    Also, bei mir war es so, dass ich kurz nach der EA-Woche zu Hause im Kinderzimmer eine Bordüre abgekratzt habe, grässliche Fitzelarbeit, und dabei auf dem Kassettenrecorder das Hörbuch "Wenn du geredet hättest, Desdemona, ungehaltene Reden von ungehaltenen Frauen " von Christine Brückner hörte, das ich als Buch Jahre zuvor gelesen hatte. Es kam die Rede Effi Briests, ich habe den kompletten Text verstanden und vor Freude samt der traurigen Aussagen geweint. Kurz drauf dachte ich mir, ok, jetzt Ella Fitzgerald hören - ein Grauen im Vergleich zu dem, wie ich das kannte, ergo das HG dazu und dann ging es einigermaßen, wichtiger war definitiv das Sprachverständnis. Später, nach etwa 5,6 Monaten klang Jazz nur mit CI genauso gut wie mit bds HG.

    Greetz
    Martina

    Implant 24RE 06/04 und 01/07, N8 seit März 2023

  • Holla! Also ich glaube, etwas handwerkliches machen und nebenbei ein Hörbuch hören würde ich mir im Moment definitiv nicht zutrauen. Ich bin mir nicht mal sicher, ob es mit dem Hörbuch ohne Nebenbeschäftigung klappen würde. Aber wenn ich das richtig verstanden habe, hattest du das CI da schon ein wenig länger als fünf Tage :) Mal sehen, es kommt einfach, wie es kommt. Und damit es vielleicht ein bisschen früher kommt, werden halt auch mal im Rahmen der Kraftkapazitäten um halb elf Vokale geübt ;)
    Ich habe erst durch das CI gemerkt, wie schlecht mein HG-Ohr eigentlich war. Der Techniker hat mit Blick auf die Hörkurve nur gesagt: "Wenn Sie sich nen Kopfhörer auf den Arm legen und doll aufdrehen, kommen Sie auf 'ne ähnliche Kurve." Ganz so schlimm habe ich es eigentlich nicht empfunden, aber im Nachhinein und im Hinblick auf das, was einfach an Geräuschen plötzlich wieder da ist, ist da wohl was dran...

    Jetzt wollte ich noch ganz kurz was zu den Abschlussmessungen melden, die gestern gemacht wurden: Im OLSA hat sich die dB-Schwelle von -2,9dB mit HG auf -3,2dB verändert - das scheint kein riesenhafter Sprung zu sein und könnte durchaus noch eine Ungenauigkeit in der Messung sein, aber zumindest zieht das CI das HG im Störlärm nicht runter :) Bei Zahlen kam ich mit CI auf 90%, mit dem HG auf 100%. Zusammen waren es ebenfalls 100%. Die genauen Daten bekomme ich erst noch, aber in der Tendenz kam raus, dass das CI schon das HG unterstützt und nicht nervt.

    Der Höreindruck mit dem CI hat sich in der vergangenen Woche ebenfalls gewandelt: Vom schrägen Geigengefiedel über Roboterstimmen und kaputten Radios hin zum Klangeindruck eines etwas zu laut und zu grell eingestellten Hörgeräts. Nicht mehr so furchtbar unnatürlich, aber immer noch recht hell und blechern. Es wird also auch hier.

    Jetzt ein paar Punkte, die meine Freude zwar nicht über die Maßen trüben können, die aber vielleicht die letzten Berichte etwas ins richtige Licht rücken, so dass es nicht alles nur nach eitel Sonnenschein aussieht:


    Frauenstimmen: Das ist nach fünf Tagen mit CI wohl Jammern auf sehr hohem Niveau, aber ich kann Frauenstimmen untereinander gar nicht unterscheiden und auch im Vergleich zu Männerstimmen recht schlecht verstehen. Sie klingen einfach nach verzerrten Robotern. Einzelne Männerstimmen kann ich hingegen sogar untereinander unterscheiden, auch in fremdsprachigen Fernsehserien mit Untertiteln (Family Guy :D ).

    Die Höranstrengung: In lauteren Umgebungen wird der Höreindruck vom CI zu einem penetranten Summen, das nur dann in den Griff zu bekommen ist, wenn ich es im Vergleich zum HG deutlich lauter einstelle oder versuche, mich aktiv auf das Sprachverstehen mit dem CI zu konzentrieren. Ich kann mir das nur so erklären, dass man dem Gehirn so keine Möglichkeit gibt, sich auf den vertrauten Höreindruck vom HG zu verlassen und alles andere zum Höreindruck von Nebengeräuschen zu degradieren. Nach Jahren des Nichthörens auf dem CI-Ohr ist es aber extrem anstrengend, sich wirklich darauf zu konzentrieren. Wenn ich will, dass das Summen weg geht, entspricht die Anstrengung in etwa der, wie wenn man als Rechtshänder plötzlich versucht, mit links zu schreiben. Will ich dann auch noch das Gesagte verstehen, ist es von der Anstrengung her, als müsste das Ergebnis mit der linken Hand auch noch Schönschrift sein. Da ist also auf Dauer nicht viel, so dass ich nach ca. einer halben Stunde die Hörsituation verlassen und eine Pause einlegen muss. Im Moment habe ich die Möglichkeit noch. Keine Ahnung, wie das kommende Woche bei der Rückkehr ins Büro wird...

    Der Schlag beim Einschalten: Ich nehme immer noch die erste Minute der Inbetriebnahme als extrem lautes Kreischen und Quietschen wahr, bis die Betriebsspannung des Implantats erreicht wird und die Verbindung zwischen SP und Implantat stabil ist. Das ist schon lange nicht mehr so extrem wie in den ersten Tagen, aber nach wie vor so unangenehm, dass ich vorab lieber einen ruhigen Raum aufsuche und vor dem Anlegen die Zähne zusammen beiße.

    Die analoge Induktionstechnik: Das gehört auch eher in die Kategorie "Jammern auf hohem Niveau", aber leider gibt es keinen digitalen Standard, der sowohl HG als auch SP mit per Bluetooth gestreamten Audiosignalen versorgt, so dass ich auf die Induktionsschlinge angewiesen bin. Von der Qualität der Verbindung bin ich grundsätzlich positiv überrascht, aus alten Tagen hatte ich noch die Erinnerung, dass jeder Lichtschalter, jede Leuchtstoffröhre und ungefähr alles, was einen Stecker hat, sofort ein ekliges Rauschen erzeugen, aber diese Zeiten scheinen wohl vorbei zu sein. Einzig, als ich im Zug (Deutsche Bahn, nicht ÖPNV, dort gibt es keine Probleme) mit der App üben wollte, musste ich feststellen, dass das von der Oberleitung induzierte Geräusch alles andere überdeckt und den Einsatz der Teleschlinge somit unmöglich macht. Sehr schade, aber vielleicht können CI- und HG-Hersteller irgendwann über ihre Schatten springen und an gemeinsamen digitalen Standards arbeiten. Bevor jemand etwas sagt: Ich kann mit dem Klang von Phonak-HG bei aller Bemühung nichts anfangen, deswegen stand die Option AB-CI und Phonak-HG nie zur Debatte.


    Das war es so weit an negativen Eindrücken. Sobald sich die anfängliche Freude gelegt hat, wird mir bestimmt auch noch mehr auffallen, aber für den Moment zeigt das glaube ich auch schon, dass eben nicht alles rosig geworden ist. So möchte ich abschließend an dieses Zwischenfazit noch ein paar Dinge anhängen, die mir die ersten Schritte mit CI deutlich erleichtert haben - vielleicht gibt es ja für den einen oder anderen, der vor diesem Schritt steht, hier ein paar Anregungen ;)

    - Erwartungen auf ein Minimum beschränken: Das liest man so oft, dass ich das als oberste Maxime verinnerlicht hatte. Als ich konkret über meine Erwartungen befragt wurde und mir Gedanken darüber machte, fasste ich das ungefähr so zusammen: Ich rechne damit, zwei bis drei Wochen lang außer einem schrägen Pfeifgeräusch nicht wirklich etwas wahrnehmen zu können, vielleicht ab und an einzelne Wörter. Wenn ich viel trainiere, komme ich vielleicht nach einem Monat auf den Stand, auf dem ich mit dem HG zuletzt war. Wenn es nicht klappt, setze ich mich aber auch nicht unter Druck. Das ist aber ein ziemlicher Spagat, entscheidet man sich ja letztendlich gerade wegen der Aussicht auf eine bessere Grundsituation zu dem Schritt mit dem CI.

    - Unvoreingenommen und neugierig sein: Sich so zu disziplinieren, dass man auf keinen Fall mit "Igitt, was soll das denn sein?!" und einem sofortigen Rückzug reagiert, sondern sich eher ein Geräusch mehrmals mit einer neutralen Grundhaltung anhören und es so hinnehmen. Das bedeutet auch, sich öfter mit unangenehmen Geräuschen zu konfrontieren (Merke: Öfter ist nicht gleich pausenlos! Bei mir ist es die Toilettenspülung, die ich bis heute sehr schlecht ertrage. Aber das CI nehme ich trotzdem nicht ab :D Es wird auch mit der Zeit besser. Das Türenschließgeräusch in der U-Bahn finde ich mittlerweile normal und nicht weiter störend, das hat mich am Anfang auch fast in den Wahnsinn getrieben).

    - Nicht in festgefahrenen Kategorien denken: Das vor allem beim Sprachverstehen. Nach mehrmaligem Hören erkenne ich Unterschiede zwischen einzelnen Wörtern. Es sind aber nicht immer die gewohnten lautlichen Unterschiede, sondern Nuancen von Geräuschen oder Pfiffen, die unterschiedlich klingen. Hier zu akzeptieren, dass die alten Regeln nicht mehr gelten und sich auf die neuen einzulassen, erscheint mir als wichtiger Schritt zum Erfolg.

    Das war es für den Moment von meiner Seite. Ich bin gespannt, was da noch alles kommt und werde sicher ab und zu noch etwas hier posten :) Danke noch mal an alle, die mitlesen und an meinen Erfahrungen teilhaben wollten!

    Buzz

    an Taubheit grenzend schwerhörig

    links: HG (Oticon Alta)
    rechts: CI (MedEL, Synchrony mit Flex 28-Elektrode / Sonnet), OP: 28.05.2015, EA: 29.06.2015

    Einmal editiert, zuletzt von Buzz (4. Juli 2015 um 15:26)

  • Danke dir, Martina! Wird gemacht - wir haben heute Morgen geübt, morgen früh ist wieder geplant, dazwischen die App und ich habe nicht vor, das in den nächsten Wochen/Monaten schleifen zu lassen. Dafür habe ich zu viel "Blut geleckt" ;)

    an Taubheit grenzend schwerhörig

    links: HG (Oticon Alta)
    rechts: CI (MedEL, Synchrony mit Flex 28-Elektrode / Sonnet), OP: 28.05.2015, EA: 29.06.2015

  • Wie übst du denn,
    auch im Freifeld, ohne Kabel?
    Ich hab seinerzeit täglich eine halbe Stunde vor dem CD- / Tape-Player gesessen und eifrig mitgeschrieben, um anschließend die Fehlerquote zu berechnen; oder meine Jungs haben mir auf der Gitarre und dem Klavier vorgespielt. Auch Werbeanrufe habe ich angenommen, mir alles angehört und anschließend nein, danke gesagt ;) Bei mir immer alles ohne Kabel, FM, Bluetooth.

    Greetz
    Martina

    Implant 24RE 06/04 und 01/07, N8 seit März 2023

  • Wenn ich "von CD" übe oder mit der App, dann mache ich das über die Schlinge. Aber ich lasse mir auch von Familie und Freunden die eine oder andere Lektion aus dem Übungsheft vorlesen. Die Mischung macht es da wohl und ich sollte wahrscheinlich auch mal im Freifeld üben...

    Und ich bin beim Telefonieren schon immer derart unsicher gewesen, dass ich mich wahrscheinlich nicht mal trauen würde, Werbeanrufe anzunehmen :D


    Achja: Die letzten zwei Tage hat mich ein extremer Tinnitus geplagt, der mich sogar eine Nacht Schlaf gekostet hat. Ich nehme jetzt den SP tagsüber zeitweise ab und hoffe, dass es so weniger wird und ich dann die Dosis langsam wieder steigern kann, ohne dass der Tinni wieder kommt. Ich habe heute aber gemerkt, dass ich den SP automatisch wieder ansetze, wenn es im Büro etwas zu besprechen gibt o.ä. - von daher scheint er mir grundsätzlich wohl gut zu tun beim Hören und Verstehen :) Den Tinnitus schiebe ich im Moment am ehesten auf die FS4-Codierung, weil er in einem ähnlichen Frequenzspektrum tönt wie die ersten vier Elektroden, die bei dieser Codierung öfter stimuliert werden. Von daher hoffe ich einfach auf einen langsamen Gewöhnungseffekt, weil ich den Klang mit dieser Codierung eigentlich gerne mag und ungerne wieder auf die andere wechseln würde.

    an Taubheit grenzend schwerhörig

    links: HG (Oticon Alta)
    rechts: CI (MedEL, Synchrony mit Flex 28-Elektrode / Sonnet), OP: 28.05.2015, EA: 29.06.2015

    • Offizieller Beitrag

    Mach dir kein Stress in sachen Hörübungen. Klar kann man zuzätzlich üben das will ich dir ja nicht ausreden, aber du übst ja auch schon im Altag automatisch. Du hast ja denn Sp erst seit kurzem und schon solche gute erfolge. Gönnt dir immer wieder Pausen, evlt. geht der Tinni dann wieder weg.

    Welche Codierung hattest du vor der FS4- Codierung?

    Ich habe von Anfang an die FS4- Codierung.

  • Tinitus wäre bei mir immer ein Anzeichen vom Streß.
    Auch wenn wir es nicht so sehr wahrnehmen, könnte man sich doch selbst unbewußt unter Druck gesetzt haben.
    Wäre jetzt aber nur eine Überlegung.


    Ich kann verstehen, daß man so schnell wie möglich wieder alles können will.
    Erst Recht, wenn solche Erfolge, wie bei Dir, vorhanden sind.
    Erst einmal Glückwunsch dafür!

    Auch zu Deiner Art zu schreiben!
    Es ist richtig gut erklärt, wie Du es meinst, und man fühlt alles richtig mit Dir mit, auch wenn ich es selbst noch nicht erleben konnte.
    Aber das sollte sich ja auch noch bei mir ändern.


    Meine Oma hatte immer gesagt: gut Ding will Weile haben.
    Ich glaube, gerade beim Hören paßt das.
    So schön, und vor allem wichtig, das einem auch erscheinen mag, so sehr sollte man sich selbst doch nicht zu arg überfordern.
    Und im Prinzip "hört" man doch schon im Alltag so nebenbei.
    Ich schätze mal, daß gehört auch noch zum Training dazu.
    Einfach zu "hören" und es irgendwie genießen, ohne zu analysieren.
    Schätze, das hilft auch schon viel.


    Dir wünsche ich jedenfalls weiterhin viel Erfolg!!!!

    :thumbup:


    Gruß Sheltie

    Schönen Gruß

    Sheltie

    schon als Kind Hörgeräteträger, bis zum Hörsturz 2005
    rechts: CI422(SRA), N6, Okt 2015

    links: CI522, N6, Nov 2017

    Meine Story: Das Sheltie hat nun auch ein eOhr

  • Schöne lange Geschichten! Liest sich gut!
    Gruß Norbert

    links: Opus 2XS, Flex28; OP 14/09/2012 MHH
    EA: 05/11/2012 erfolgreich

    seit 12/06/2020 Sonnet 2

    rechts: HG (zu nichts nutze...)
    --------------------------------
    Offenbarung 21,4
    ...und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer noch Geschrei noch Schmerz...

    Jesaja 35, 4-6
    Sagt den verzagten Herzen: "Seid getrost ..." ...dann werden die Ohren der Tauben geöffnet werden...

  • Und im Prinzip "hört" man doch schon im Alltag so nebenbei.
    Ich schätze mal, daß gehört auch noch zum Training dazu.
    Einfach zu "hören" und es irgendwie genießen, ohne zu analysieren.
    Schätze, das hilft auch schon viel.

    Das ist meine Erfahrung bisher! Richtig eingeschätzt; Sheltie... :)

    Buzz, weiter so....  :)